Mai 28, 2015

Wohnungslosigkeit im Fokus

Deutsch-tschechischer Workshop der Brücke/Most-Stiftung

Mitte Mai fand der Workshop „Neue Perspektiven? Zurück in die "wohnende Gesellschaft" in benachbarten Ländern“ in Dresden statt. Die Brücke/Most-Stiftung organisierte diese sechstägige internationale Begegnung zwischen interessierten jungen Menschen aus Deutschland und Tschechien. Die praktische Begegnung mit dem Thema Wohnungslosigkeit sollte helfen Stereotypisierungen abzubauen und neue Wege zu finden, wie nachhaltiges soziales Engagement im Bereich der Wohnungslosenhilfe möglich ist. Durch den Vergleich zwischen den Hilfsangeboten in Tschechien und Deutschland wurde es möglich vermeintlich Selbstverständliches zu hinterfragen und über manches aus einem neuen Blickwinkel nachzudenken. Ich als Praktikantin des PJR war auch dabei und werde euch hier einige Eindrücke dieser Woche schildern.

Unterwegs in Zižkov 

Stolz zeigt uns Honza wie aus den Bücherresten, die er im Prager Stadtteil Žižkov aus Mülltonnen fischt und von der Straße aufsammelt, neue Notizhefte und Kalender gefertigt werden. Dass Honza wohnungslos ist sieht man ihm nicht direkt an. Seine Kleidung ist sauber und er ist gepflegt. Honza ist einer von acht Stadtführern, die über das Sozialunternehmen Pragulic eine Arbeitsstelle gefunden haben. Wohnungslose werden hier als Stadtführer angestellt und erhalten bis zu 400 Euro Gehalt im Monat.   

Hilfsangebote in Deutschland und Tschechien                                                                  

Pragulic ist ein Projekt, welches wir bei unserer eintägigen Exkursion nach Prag kennen gelernt haben. Wir nahmen aber nicht nur an der Stadtführung teil, sondern besuchten auch, wie bereits in Dresden, die dortige Wohnungslosenhilfe der Heilsarmee. In Prag standen wir sozusagen auf einmal mitten drin. Neben uns die Rezeption, ein Stück weiter die Essensausgabe und die Schlafräume. Für etwa 1,50 Euro pro Nacht bekommt man hier einen Schlafplatz. Wir durften uns einen Schlafraum anschauen. In dem Zimmer gab es keine Schränke oder Tresore. Wir fragten, was die Wohnungslosen mit ihren Wertsachen machen, wenn sie sich hier aufhalten bzw. schlafen. Unser Ansprechpartner verwies darauf, dass die Kapazitäten nicht ausreichen, und die Bewohner somit auf ihre Sachen gut Acht geben müssen.
Mit diesen Eindrücken aus Tschechien konnten wir die in den vorangegangen Tagen in Dresden gemachten Erfahrungen noch einmal Revue passieren lassen. Auch hier haben wir Anlaufstellen, Träger und Hilfsangebote besucht und anhand von Vorträgen und Diskussionen einiges über die Situation und Probleme von Wohnungslosen erfahren. Neben der Heilsarmee gaben uns die Dresdener Tafel, die Diakonie, die drObs die Treberhilfe, das Nachtcafe, sowie Mitarbeiterinnen des Sozialamtes einen Einblick in ihre tägliche Arbeit. Besonders gefreut hat uns, dass sich ein von Wohnungslosigkeit Betroffener bereit erklärte uns von seinem Leben zu erzählen. Wir waren bemüht bei unserem Workshop niemanden zu bedrängen, deshalb waren wir über diese Zusage sehr glücklich. 
“Hang up and help out”
Als Abschluss unserer Woche sollte im Alaunpark in der Dresdener Neustadt der erste Street Store in Deutschland eröffnen. Entwickelt wurde dieses Konzept 2014 in Kapstadt, Süd-Afrika wo Armut und Wohnungslosigkeit eine weitaus größere Problematik darstellt als in Deutschland. Die Idee dahinter ist, an einem öffentlichen Platz gesammelte Kleiderspenden auszulegen und an Bedürftige, insbesondere Wohnungslose, zu verschenken. 
Mittlerweile gibt es über 100 Street Stores auf der ganzen Welt. Einer der Gründer aus Kapstadt, Max Pazak, kam sogar am Freitag zu unserem Stand in den Alaunpark, was uns natürlich sehr gefreut hat. Das Konzept des Street Stores ist schnell erklärt, doch hat sich bei der weltweiten Verbreitung des Konzepts gezeigt, das auf die länderspezifische Lage der Wohnungslosen konkret eingegangen werden muss. Auch bei unserem Street Store lässt sich sicherlich noch einiges verbessern bzw. das Angebot erweitern.

Die Begegnungen, die wir diese Woche über gemacht haben, waren bereichernd und gleichzeitig machen sie nachdenklich. Wohnungslosigkeit drängt Betroffene weiterhin an den Rand der Gesellschaft. Mehr Verständnis und weniger Vorurteile können erste Schritte sein, um dem großen Problem entgegenzutreten. Hierfür war der Workshop ein erster guter Anfang. 
Beste Grüße, Sarah

Links zum Thema: 
  • www.bmst.eu/index.php
  • www.diakonie-dresden.de
  • www.dresdner-tafel.de
  • www.drobs-strassenzeitung.de
  • www.heilsarmee.de/dresden/ueber-uns.html
  • www.pragulic.cz
  • www.thestreetstore.org
  • www.treberhilfe-dresden.de

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