Hallo ihr Lieben,
letzte Woche besuchten wir (das sind Svyatoslav und Charlott) den Kinofilm `Wir sind Juden aus Breslau` und wollen euch nun einige unserer Eindrücke schildern.
Noch heute, über ein halbes Jahrhundert nach Hitlers Besuch
in Breslau, hallen Nazi-Hassparolen in den Ohren Manfred Rotenbergs nach. Und
damit ist er nicht allein. Karin Kaper und Dirk Szuszies Kinodokumentarfilm
`Wir sind Juden aus Breslau` zeigt den Lebenslauf 14 jüdischer Jugendlicher auf
der Flucht vor den Nazis auf.
2015 begegneten sich deutsch-polnische Jugendliche und die
Protagonisten im Rahmen eines Projektes in Breslau. Eindrucksvoll wird jede der
facettenreichen Lebensgeschichten beleuchtet. Trotz des gemeinsamen Schicksals
Breslauer Jude im Dritten Reich zu sein, somit gleichermaßen unter
Antisemitismus und Repressalien zu leiden, gleicht keine Biografie der anderen.
Denn es führen nicht nur 1000 Wege nach Rom, sondern auch zahlreiche aus Breslau.
Genauso individuell, wie die Lebenswege der Akteure,
gestaltete sich auch die Auswahl der mit den Jugendlichen besuchten Orte
während der Dokumentation. Erinnerungen an plötzlich beendete Freundschaften,
Gewaltübergriffe, Anfeindungen und schmerzliche Abschiede wurden geweckt.
Einschneidend und alles verändernd: die Kristallnacht. Diesem Akt des blanken
Hasses und der blindwütigen Zerstörung fiel unter anderem auch die Synagoge zum
Opfer.
Deportationen und Verhaftungen dominierten nunmehr den
Alltag der jüdischen Bevölkerung Breslaus. Wer fliehen konnte, floh. Über
Umwege, zahlreiche Zwischenstationen und auf gefährlichen Fährten bahnten sich
viel der Protagonisten den Weg nach Palästina. Doch nicht allen gelang die
Flucht. Die Schwestern Anita und Renate Lasker wurden zunächst in das
Konzentrationslager Auschwitz- Birkenau deportiert, wo die begnadete Cellistin
Anita Teil des Frauenorchesters war. Dieser Umstand bewahrte Renate vor der
Selektion und damit dem sicheren Tod. Späterhin brachte man die beiden nach
Bergen-Belsen, wo sie April 1945 die Befreiung erlebten. Jedoch endeten Gräuel
und Schrecken des Krieges nicht am Tage der Kapitulation. Gerda Bikales Vater,
der bereits vor dem Krieg in die USA floh, erwirkte 1946 für seine
zurückgelassene Frau und Tochter Visa. Am fehlenden Verständnis und mangelnder
Empathie gegenüber dem Erlebten der beiden verbrach jedoch letztlich die Ehe.
Zerbrochen war zudem etwas viel größeres,
unwiederbringliches- das Gefühl von Heimat in Breslau. Denn Heimat ist ein Ort der
Sicher- und Geborgenheit impliziert. Diesem Anspruch wird Breslau in den Augen
der Protagonisten durch entgegengebrachten Hass und Abneigung nicht gerecht.
Somit haben die Nationalsozialisten neben Familie, Freunden, Freiheiten und
Besitz auch die Heimat jener 14 ehemaligen Jugendlichen geraubt.
Die Aussagen der Zeugen über die damalige Zeit kann man mit
keinem Buch oder anderen Quellen über das Leben der Juden im letzten
Jahrhundert vergleichen. Was sie erzählen beeindruckt, bewegt und ängstig. Das
Eingeständnis, dass Menschen anderen Menschen mutwillig derartiges Leid zufügen
können, fällt schwer.
Viele Jahre sind vorbei und viel hat sich geändert. Was
bleibt ist die Erinnerung. Die Erinnerung an längst Vergangenes, das jedoch
stets präsent ist. Die wiederaufgebaute Synagoge symbolisiert zugleich
Neuanfang und den Verlust einer großen, aktiven Glaubensgemeinschaft. Die
damals 20.000 Personen umfassende Gemeinde zählte 2015 lediglich 350
Mitglieder. Bente Kahan, die Leiterin der gleichnamigen Stiftung, blickt stolz
auf Geschafftes zurück und optimistisch in die Zukunft.
Ein sehr empfehlenswerter und facettenreicher Kinodokumentarfilm,
der die Einflüsse des Holocaust und 12-jähriger Nazi-Herrschaft sowohl während
als auch nach dem Krieg beleuchtet.
Also, schaut den Film und überzeugt euch selbst.
Liebe Grüße,
Svyatoslav & Charlott