Januar 29, 2014

Die Angst vor den Fremden…

Adventszeit in der kleinen, von ca. 5000 Einwohnern bevölkerten Oberlandgemeinde Neukirch (Lausitz). Üblicherweise kehrt hier wie im restlichen Land zu dieser Zeit langsam die besinnliche Stimmung vor dem Weihnachtsfest ein.

Ortschild von Neukirch in der Lausitz
(Quelle: http://www.firmendb.de) 
Nur nicht dieses Mal. Am 02.12.13 verbreitete sich eine Nachricht in Windeseile durch den Ort. Aber was ist geschehen? Der Kreistag des Landkreises Bautzen wurde im Rahmen seiner Suche nach neuen Unterkünften für die steigende Anzahl der Asylbewerber_Innen darüber informiert, dass ein Gebäude (das „Hofgericht“) in Neukirch, welches in den 90er Jahren als Hotel betrieben wurde, Mitte Januar versteigert werden sollte. Aufgrund des knappen zeitlichen Rahmens beschloss der Kreistag ohne mediale Vorankündigung, sich an der Versteigerung zu beteiligen und bis dahin weitere Möglichkeiten für eine Unterbringung von 80-120 Asylbewerbenden zu suchen.

Über die sozialen Medien und auf der Straße brach sofort eine Welle der Entrüstung los. Die Emotionen schwankten von Verwunderung über Unverständnis bis hin zur Wut. Erste Stimmen wurden laut, die verkündeten, man wolle keine Fremden aus anderen Ländern hier in dieser beschaulichen Gegend haben. Die kritischen Stimmen wurden lauter und bündelten sich in mittlerweile eingerichteten Facebook-Gruppen.

Auf der Straße wurde diskutiert, „ob man mit diesen Asylbewerbern hier überhaupt noch sicher leben könne“ und sich darüber echauffiert, dass „ wieder einmal Entscheidungen vorbei an den Bürgern getroffen wurden“. Am 11.12.13 wurde die Gemeinderatssitzung des Ortes förmlich überrannt. In dem kleinen Ratssaal reihten sich über hundert Anwohner_Immem wie die bekannten Heringe in der Dose. Die Enge war nicht das Einzige, was an diesem Mittwoch-Abend für ein unangenehmes Gefühl sorgte, sondern auch eine von Wut aufgeheizte Stimmung in den Reihen des Publikums. Vom Landratsamt wurden zwei Mitarbeiter beordert, die in der Gemeinderatssitzung den aktuellen Stand der Dinge aufklären sollten. Die beiden Herren wurden an diesem Abend zum Ziel der Unmütsäußerungen. Ihre Ausführungen wurden wiederholt durch Zwischenrufe aus dem Publikum unterbrochen. Einige Einwände zeugten von verständlichen Bedenken der Anwohnenden. Jedoch die Mehrzahl der Einwände schmückte ein fremdenfeindlicher Unterton. „Man wolle solche Menschen nicht hier, erst recht nicht in Mitten des Ortes“ – diese Aussage hörte man an diesem Abend noch sehr oft. Nach Wortmeldungen, weiteren Zwischenrufen und Statements einiger Gemeinderäte, wurde das Thema in der Sitzung vom Bürgermeister (Krause /CDU) beendet und das Publikum damit vertröstet, dass in der darauffolgenden Woche eine Diskussionsveranstaltung im größeren Rahmen stattfinden soll, wo auch der Landrat des Landkreises Bautzen, Michael Harig (CDU), Rede und Antwort steht.
Der Ton verschärfte sich Zusehens bei Diskussionen über Thema. Die Dynamiken des Internets beförderten populistische Aussagen und sorgten dafür, dass Verteidiger_Innen des Asyl-Rechtes sich Schmähungen und vereinzelt auch Drohungen aussetzen lassen durften.

Am Donnerstag den 19.12.13 kam es dann zum bisherigen Höhepunkt. Die einberufene Bürgerversammlung wurde ein weiteres Mal von über 100 Zuhörer_Innen besucht. Vorab verabredet, traf auch ein Mob an schwarz-gekleideter Personen zu dieser Veranstaltung ein – die Botschaft sollte klar sein. Am Beginn des Diskussionsforums stand eine Rede des Landrates, der, bevor er nur ein Wort reden konnte, ausgebuht wurde. Er appellierte an die Sachlichkeit und Menschlichkeit der Anwohner_Innen, jedoch gelang es ihm nicht im Geringsten einen Draht zu den Asyl-Kritikern vor Ort aufzubauen. Im Gegenteil, mit einer unbedachten Aussage über Dynamo Dresden Fans, die sich gelegentlich genauso rüpelhaft verhalten, wie es den Asybewerber_Innen unterstellt wird, brachte er endgültig die Asylkritiker gegen sich auf.
Als zweites wagte sich ein Gemeinderat auf den Rednerpult, der versucht hatte beide Seiten des Publikums anzusprechen. Jedoch wirkten seine Aussagen mitunter für den aufmerksamen Zuhörer sehr irritierend. Zum Beginn seiner Rede stellte er klar, dass er die Gemeinde Neukirch nicht in die „rechte Ecke gestellt“ haben möchte. Ebenso sehr betonte er auch, dass er nichts gegen Ausländer habe und ihm ein konstruktiver Dialog mit den Verantwortlichen des Landratsamtes wichtig sei. In späteren Passagen seiner Rede ließ sich jedoch gut erkennen, wo ein evidentes Problem in der Denkweise weiter Teile der ostdeutschen und besonders ländlich geprägten Regionen vorherrscht. Selbst in der Mitte der Bevölkerung, die sich gegen rechtes Gedankengut ausspricht, hängen noch alte Stereotype und Ressentiments gegenüber Ausländern fest.
Die Veranstaltung ging weiter. Zum Leiden der konstruktiven Diskussion blieben wichtige Fragen an die Verantwortlichen des Landratsamtes unbeantwortet, da mehr und mehr unsachliche Aussagen aufkamen. So erfragte eine erzürnte Zuhörerin, wieso den Asylbewerbern geholfen wird, ihr jedoch, als Opfer des Hochwassers nicht. Hört-Hört-Rufe erschallten aus dem hinteren Bereich des Gesprächssaales, wo schwarz Gekleidete in der Überzahl waren. Die Stimmung wurde immer erhitzter, sodass der Bürgermeister ein weiteres Mal sich genötigt fühlte die Veranstaltung an dem Punkt abzubrechen. Ein Redebeitrag erfolgte jedoch noch nach der Verabschiedung. Die zuvor erwähnte Frau drängte noch einmal zum Mikrophon, um ihren angestauten Unmut Ausdruck zu verleihen. Ihre Tirade endete mit den Worten „Ausländer raus! Pfui! Pfui! Pfui!“. Nicht nur diese Aussage ließ einen erschrecken, sondern auch der beißende Applaus aus dem hinteren Teil des Saales.

Was von diesem Abend bleibt, ist ein sehr fader Beigeschmack. Wer die Hoffnung hatte, dass weite Teile der Bevölkerung hier im ost-sächsischen Raum sich klar gegen Rassismus und rechtem Gedanken-Gut stellen, der wurde eines besseren belehrt. Alltagsrassismus und Chauvinismus sind immer noch präsent. Dieses dunkle Urteil, ist aber auch nur ein Teil der Realität. Es muss auch erwähnt werden, dass eine nicht vernachlässigbare Zahl an Menschen die Notwendigkeit des Asylrechtes erkennen und vereinzelt auch geschlossen in Initiativen sich aktiv dafür einsetzen, so dass buntes, multikulturelles Gedankengut im ländlichen Raum einziehen kann.

(Robin H.)

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Nachdem am 14. Januar in der Sächsischen Zeitung ein Artikel zum Thema unter dem Titel "Es kocht in Neukirch" erschienen ist (hier zu finden: http://www.sz-online.de/nachrichten/es-kocht-in-neukirch-2750902.html), baten wir unseren ehemaligen FSJ-Pler Robin, der aus Neukirch kommt, seine Gedanken dazu zu verfassen. 

1 Kommentar:

  1. Robin, mein Guter, das sind die besten Zeilen, die ich seit langem zu dem - insbesondere dank der CSU - sehr unsachlich diskutierten Asyl-Thema gelesen habe. Danke für deine Einschätzung, die ich 110prozentig nachvollziehen und unterstützen kann.
    Dein Freund und Ex-Kollege Konni

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